Über Fussballer, Yogis und andere Männer

Wann stürmen die Männer die Yoga-Studios?

Die Weltmeister-Fussballer Deutschlands tun es. Künstler tun es. Sogar Politiker. Auch Manager. Sie praktizieren Yoga, üben Körperstellungen und Atemkontrolle, sie lernen Asanas und Pranayama. Der Stargeiger Yehudi Menuhin hat Jahrzehnte lang täglich die Yogamatte ausgerollt. Diese Männer haben für sich den persönlichen Nutzen konsequenten Yogatrainings entdeckt. Doch die grosse Mehrheit der Männer hat mit Yoga nichts am Hut. Für Frauen und Softies, so die Ansicht des starken, aber wenig weisen Geschlechts. Denn wäre es anders, hätte der Männer-Sturm auf die Studios längst eingesetzt.

Kraft und Hingabe

In vielen Studios lehren und lernen Männer und Frauen üben. Männer sind in der Minderheit, doch immer gern gesehen. Denn heimlich träumt so manche Yogini vom Adonis-Yogi oder Seelenverwandten als Partner. Doch viele Männer sind im Tiefschlaf, verpassen Chance um Chance, schöne Frauen kennen zu lernen und einen Entwicklungssprung zu machen. Denn Yoga wirkt. Yoga stärkt, körperlich und mental. Yoga verhilft dem körperlich und geistig wohlstandsgeschädigten Zeitgenossen zu innerer Stärke und äusserer Festigkeit. Mit täglicher Yoga-Praxis schafft Mann die Quadratur des Kreises. Er wächst in seine Stärke und Kraft hinein und wird gleichzeitig fähig zur Hingabe. Und darauf kommt es an. Mit Stärke, Disziplin und Hingabe verschieben wir die Grenzen überall. Kondition und Kraft haben alle Fussballer. Mentaltraining betreiben alle Spitzensportler. Aber welche von ihnen üben die Hingabe? Die ganz Erfolgreichen? Vielleicht. Sie üben Hingabe an sich selbst, an ein Team, an das Leben. Sie leben Hingabe in der Liebe und praktizieren Hingabe an eine höhere Macht. Mit und ohne Yoga. Sicher ist: Wer sich auf den Yoga-Pfad begibt, übt die Hingabe und verändert damit sich selber und auch ein kleines Stück Welt.

Erfolg

Genau das wollen wir Männer (und viele Frauen auch): Welt gestalten, Welt verändern. Wir suchen Erfolg. Doch welchen Erfolg? Um welchen Preis? Karriere, Macht, Geld um den Preis der Gesundheit und zerrütteter Beziehungen? Das ist ein Auslaufmodell. Ein Paradigmenwechsel bahnt sich an. In seinem Buch „Yoga für den Mann“ schreibt Dr. Patrick Broome, Psychologe und Yogalehrer der Deutschen Fussball-Nationalmannschaft: „Für die meisten Männer besteht Erfolg nicht mehr nur in Karriere, Verdienst, Anerkennung oder Macht. Erfolgreich ist vielmehr auch, wer eine stabile Gesundheit hat, wer zufriedenstellende Beziehungen zu anderen Menschen unterhält, wer Kinder zu glücklichen und selbstbewussten Persönlichkeiten erzieht, wer trotz Verantwortung in Beruf und Familie seine eigene Entwicklung nicht vernachlässigt.“

Yoga ist ein Erfahrungsweg

Über die Selbsterfahrung beim Yoga führt ein Weg zur Selbstentwicklung. In einer Welt beschleunigten Wandels ist Selbstentwicklung ein Muss – für Frau und Mann. Doch damit tut sich Mann schwer. Männer warten bis Lebenskrisen, wie zum Beispiel Jobverlust, Scheidung und Burn out, sie schmerzhaft weiterentwickeln anstatt „das Leben selbst in die Hand zu nehmen“. Doch genau darum geht es, Selbstverantwortung zu übernehmen. Selbsterfahrung, Selbstentwicklung, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung gehören zusammen. Sie machen uns reif und ganz. Yoga hilft uns dabei. Denn Yoga ist mehr als Gymnastik und Fitnesstraining. Yoga ist Geistesschulung. Yoga ist kein Glaube. Yoga ist Lebensschule, ein Erfahrungsweg und eine Wissenschaft. Yoga sucht die Innenschau und zielt auf Erfahrung; Wissenschaft verlangt nach Verifizierung oder Falsifizierung im Experiment. Yoga zeigt uns einen Befreiungsweg aus dem leidvollen Dasein. Es eröffnet uns die Möglichkeit, aus der Quelle, aus dem Kern und dem Selbst heraus zu leben, glücklich und zufrieden zu sein. Denn Yoga ist Gleichmut bei Erfolg wie bei Misserfolg.

Grundlage des Yoga sind die mehr als zweitausend Jahre alten Yoga-Sutren des indischen Weisen Patanjali. Das sind 195 prägnante Aussagen über die Funktionsweise des menschlichen Geistes und die darin angelegten Möglichkeiten. Das Ausloten dieser Möglichkeiten in der täglichen Praxis ist eine spannende Entdeckungsreise. Mit täglicher Yoga-Praxis nehmen wir am Wunder des Lebens teil. Wir brauchen uns weder in ein Kloster noch auf eine Insel zurück zu ziehen. Wir stehen mitten im Leben, in unseren Aufgaben, aber auf einem neuen tragfähigen Fundament. Wir bewegen uns bewusst. Wir atmen bewusst. Dieser Atemfluss beruhigt unseren Geist, verändert unser Denken und verändert damit unser Leben. Dieses Wunder findet hier und heute statt. Stündlich und täglich. Wenn wir Männer ganze Männer und ganze Menschen sein wollen, dann müssen wir uns diesem Wunder zuwenden, atmen, atmen und uns neuen Sichtweisen öffnen. Denn Glück ist eine Sichtweise, wie der Bestseller-Autor und Psychiater François Lelord seinem Protagonisten Hector in den Mund legt (Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück). Und wo der Atem fliesst, da ist der Lebensfluss.

Jenseits von lifestyle

Es ist nie zu spät in diesen Fluss kommen. Auch für uns Männer. Mit dem Älterwerden sind wir noch stärker gefährdet nicht nur körperlich zu erstarren (Steifheit), sondern auch geistig unbeweglich zu werden (Starrsinn) und in unserer individualistischen und materialistischen Zeit seelisch heimatlos zu werden und in Altersheimen zu vereinsamen. Darüber hinaus verlieren wir bis zum 80. Lebensjahr – im Vergleich zu Alter 35 – bis gegen 30% unserer Muskelmasse. Doch mit ausreichender Bewegung und gesunder Ernährung kann viel Positives bewirkt werden. Bewegung kann heissen, Yoga zu praktizieren, jenseits von Lifestyle und Mode. Das ist das Yoga für alle in allen Lebensphasen. Je nachdem, wo wir im Lebenskreis unterwegs sind, steht dabei etwas anderes im Vordergrund. Beweglichkeit, Entspannung, Schmerzfreiheit, Gelassenheit, Bewusstheit, Präsenz, Beobachtung, Selbsterkenntnis, Disziplin, Ordnung, Verhaltensmuster, Spiritualität.

Als Mystiker beginnen und enden

Auf diesem Lebenskreis ist der Anfang durch die Geburt aus der Einheit in die Dualität gegeben und auf den Schluss können wir uns bewusst hinbewegen, aus der Dualität zurück in die Einheit. Denn wir Menschen werden als Mystiker geboren (Broome), wir kommen aus der Einheitserfahrung. Wir inkarnieren uns ganz ins Leben hinein, bilden unser Ego aus und bauen unsere Identität auf, doch am Schluss geht es darum den Kreis zu schliessen. Unsere Identität zerfällt, im Sterben und Tod ist es irrelevant, wie viele Doktortitel wir getragen haben und wie erfolgreich wir das Unternehmen geleitet haben. Wir werden erneut zum Mystiker und kehren in die Einheit zurück. Wir legen unser Ego ab. Und genau das üben wir auch in jeder Yogastunde. Denn Yoga ist der Weg zurück zum Kern, zur göttlichen Quelle in uns.